Delegierte diskutieren Rentenkonzept und Auswirkungen der Transformation

Bewegender Diskussionsbeitrag auf der Delegiertenversammlung der IG Metall Chemnitz

14.06.2019 | Die Juni Delegiertenversammlung am vergangenen Mittwoch, hatte das Rentenkonzept der IG Metall zum Schwerpunkt, welches intensiv von den Kolleginnen und Kollegen diskutiert wurde. Mehr dazu auch in der Lokalseite in der nächsten Metallzeitung. Zur Aussprache zum Geschäftsberichts, hielt der Betriebsrat von Fischer Hydroforming einen bewegenden Diskussionsbeitrag zur Situation bei Fischer, den wir gerne veröffentlichen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Mein Name ist Michael A.. Ich bin Betriebsratsmitglied in der Fischer Hydroforming GmbH Chemnitz.

Unser Betriebsrat ist im Mai 2018, zum zweiten Mal gewählt worden und mit etwas veränderter personeller Besetzung angetreten, um 4 Jahre erfolgreiche Arbeit für unsere Kolleginnen und Kollegen zu machen.

Unserem positiven Ansinnen, unserem Tatendrang wurde am 06. Mai, also vor circa 5 Wochen ein abruptes Ende gesetzt, als der Eigentümer der Firma verkündete, dass der Geschäftsbetrieb am 31.10.2019 eingestellt wird. Die Amtszeit unseres Betriebsrates endet damit zum selben Termin. Unser Betriebsrat ist heute und hier vollzählig anwesend, worauf ich unwahrscheinlich stolz bin. Leider wird es einer unserer letzten gemeinsamen Auftritte sein. Ebenso enden die Arbeitsverhältnisse von 66 Männern und Frauen, von Familienvätern und Müttern, die jahrelang im Firmenverbund der Fischer Group gearbeitet haben. Und das für 30 Prozent weniger Lohn zum Lohnniveau der Kollegen am anderen Hydroformingstandort im Sauerland.

Begründet wurde dieser Schritt, wie auch aus der Presse zu entnehmen war, mit der Dieselthematik. Wir haben hauptsächlich Abgasanlagen für Dieselfahrzeuge gefertigt. Kein Wort von möglicher eigener Schuld, kein Wort über Versäumnisse in der Marktanalyse. Spätestens nach der letzten Automobilkrise, hätte man die Zeichen der Zeit erkennen müssen. Wirtschaft 4.0 stand vor der Tür, man hat an den alten und gewohnten Strategien festgehalten. In der Freien Presse und dem MDR haben Eigentümer und Geschäftsführer ihren Entschluss ebenfalls begründet.

Eine Leserreaktion in der Freien Presse hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie lautete, ich zitiere „wer die Zukunft verschläft, schnarcht teuer", Zitat Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt für einen Betriebsrat wohl keine beschissenere Aufgabe, als über einen Interessenausgleich und über einen Sozialplan verhandeln zu müssen. So etwas wünscht man selbst seinen ärgsten Feinden nicht. Seit vier Wochen laufen dazu Gespräche, bisher eher weniger erfolgreich. Wir haben der Arbeitgeberseite in der ersten Verhandlungsrunde unseren Forderungskatalog vorgelegt. Die Verhandlung wurde nach der Präsentation unterbrochen. Man hatte wohl mit allem gerechnet, aber wohl nicht mit dem wahnsinnig frischen Gegenwind, den ein mittlerweile sensationell gut funktionierender Betriebsrat erzeugt hat. Wir verhandeln im Auftrag unserer Kolleginnen und Kollegen und die erwarten von uns ein akzeptables Ergebnis.

Das mittlerweile vorliegende Angebot der Arbeitgeberseite ist nicht nur meilenweit von unseren Forderungen entfernt, es ist mit Verlaub gesagt eine Unverschämtheit, ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die jederzeit pflichtbewusst ihren Job im Unternehmen gemacht haben. Ich würde die vorliegenden Zahlen hier gerne herausschreien, aber noch sind wir in Verhandlungen und da gebietet es unsere Loyalität, darüber zu schweigen. Am kommenden Freitag gehen wir in eine entscheidende Verhandlungsrunde. Sollte es keine Annäherung zum Forderungskatalog des Betriebsrates geben, werden wir in einer Betriebsversammlung am selben Tag die Belegschaft über den konkreten Verhandlungsstand informieren und unser weiteres Handlungsmandat einfordern.

Letztendlich, wenn nichts mehr geht, bleibt dann eben nur der Weg zur Einigungsstelle. Das ist nicht das Ziel des Betriebsrates, wir wollen eine saubere Lösung für unsere Kolleginnen und Kollegen. Sei es auf dem Weg über eine Transfergesellschaft oder eben durch Eigeninitiative.

Ich habe hier mehrfach festgestellt, dass unser Betriebsrat spitze ist. Im Moment sind wir in der Firma wohl auch die Einzigen, die wissen, wie Krisenmanagement funktioniert.

Aber unsere Funktionalität hat auch einen Hintergrund. Was braucht man, wenn man so eine verdammt komplizierte Aufgabe lösen muss, aber noch nie damit Berührung hatte?

Erstens, eine gut funktionierende Gewerkschaft. Die ist schon mal vorhanden.

Zweitens, einen Rechtsbeistand. Da ist die Auswahl riesengroß, aber wer ist der richtige Anwalt oder die richtige Anwältin? Nicht verzagen, Mario fragen. Gesagt, getan. Vielen Dank an dieser Stelle an dich, lieber Mario John, für die Vermittlung der weltbesten Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht. Es ist ein wahnsinnig gutes Gefühl, in so einer Situation nicht verlassen dazustehen, sondern professionelle Unterstützung zu haben. Vielen Dank nochmal Mario.

Was braucht man noch? Den Ingo Hanemann! Der sitzt bei jeder Verhandlungsrunde mit am Tisch. Das ist auch gut so. Ich wusste bisher gar nicht, dass der Ingo so energisch und auch lautstark argumentieren kann. Auch dir lieber Ingo an dieser Stelle ganz vielen Dank und bitte bleib bei uns bis zum bitteren Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Automobilzuliefererindustrie fährt derzeit in sehr unruhigen Gewässern. Wir wissen um Betriebe, wo in diesen Tagen über Personalabbau verhandelt wird. Gerade jetzt zeigt sich einmal mehr, wie wichtig Betriebsräte sind.

Ich möchte nun langsam zum Ende kommen. Ein Hinweis sei mir noch gestattet.

Wir wünschen euch nie und nimmer, dass ihr in so eine Situation kommt, wie wir sie gerade durchmachen. Sollte es dennoch unvermeidbar sein, so möchten wir euch hier und heute unsere Unterstützung zusagen. Unsere Erfahrung wird uns keiner nehmen, ohne dass wir auf diese Erfahrungen stolz sind. Wir hätten darauf gern verzichtet. Solltet ihr in irgendeiner Weise gesprächsbedarf haben, wenden euch an die IG Metall Chemnitz. Die Kollegen wissen, wo wir zu finden sind.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen wünschen wir euch alles Gute, viel Kraft und Ausdauer. Drückt uns die Daumen, dass wir in Kürze zu einem sauberen Abschluss kommen.

Sicherlich werden wir uns hier und da wiedersehen. Denn mit dem Ende unserer Firma und dem damit verbundenen Ende des Betriebsrates endet eines nicht, nämlich unsere Zugehörigkeit zur IG Metall. Ein guter Grund für ein Wiedersehen wäre dann schon der 29.06. zu unserer gemeinsamen Fahrt nach Berlin. Ich freue mich auf euch.

In diesem Sinne, machts gut.

[Stand der Rede: 12.6.2019, leicht gekürzt]

Von: az

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