IG Metall Chemnitz: Tarifbindung bei SKS Kontakttechnik

SKS im Erzgebirge: So haben wir uns 16 Prozent mehr Geld geholt

31.03.2023 | Beim Elektrohersteller SKS Kontakttechnik in Niederdorf tat sich früher nur wenig bei den Löhnen. Hier im sächsischen Erzgebirge war man froh, Arbeit zu haben. Betriebsrat oder gar Tarif waren weit weg. Doch jetzt haben sie sich ihren ersten Haustarif geholt: durchschnittlich 16 Prozent mehr Lohn.

Foto: Steve Conard

Kolleginnen und Kollegen bei der Betriebsversammlung

Der sächsiche Wirtschaftsminister Martin Dulig (rechts) bei SKS Kontakttechnik in Niederdorf

Neuer Haustarif beim Steckverbinderhersteller SKS Kontakttechnik in Niederdorf im Erzgebirge (Sachsen): In den nächsten drei Jahren steigen die Entgelte in drei Schritten auf 100 Prozent Grundentgelt Metall-Tarif. Für die 360 Beschäftigten bedeutet das eine durchschnittliche Entgeltsteigerung um mehr als 16 Prozent – im Schnitt rund 600 Euro mehr im Monat.

Früher war so etwas hier undenkbar. Bis vor zwei Jahren gab es nicht einmal einen Betriebsrat. Hier im Erzgebirge war man froh, überhaupt Arbeit zu haben. Noch heute liegen die Monatslöhne im Landkreis im Schnitt rund 1000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt.

Doch bei SKS ist die Zeit der Niedriglöhne bald vorbei: In drei Jahren erreichen ihre Monatslöhne Westniveau.

Jahrelang stiegen die Löhne nur langsam

Alles fing damit an, dass sie im Januar 2021 einen Betriebsrat gründeten.

„Ich hatte ein Gespräch mit unserem damaligen Prokuristen wegen einer Lohnerhöhung“, erinnert sich der heutige Betriebsratsvorsitzende Michael Müller. Er musste sein Dach neu decken lassen, bekam aber keinen Kredit, weil er mit drei Kindern kein pfändbares Einkommen (mindestens 2120 Euro netto) als Sicherheit vorzuweisen hatte. Die Lohnerhöhung bekam er nicht,

Da muss endlich etwas passieren, sagte sich Michael Müller. Und die Gelegenheit schien gekommen, als die Phoenix Contact Gruppe 2019 bei SKS kaufte. An den anderen Standorten von Phoenix Contact gab es bereits Betriebsräte und Tarifverträge. Ihr Konzernbetriebsrat (KBR) stellte sich nach der Übernahme bei ihnen in Niederdorf vor, mit der Botschaft: Ein Betriebsrat gehört dazu.

Erste Betriebsratswahl im Januar 2021 – trotz Corona

Michael Müller nahm Kontakt zum KBR auf – und dann zur IG Metall Chemnitz. Sie trafen sich mit einer Handvoll Aktiver, wurden mehr, absolvierten Schulungen – und leiteten schließlich die Wahl eines Betriebsrats bei SKS in Niederdorf ein.

„Rein rechtlich gesehen hätte auch der KBR von Phoenix Contact die Betriebsratswahl in Niederdorf einleiten können“, erklärt Ingo Hanemann von der IG Metall Chemnitz. „Aber es ist besser, die Gründung des Betriebsrats geht von den Kolleginnen und Kollegen vor Ort aus.“

Ingo Hanemann weiß, was das heißt. Er selbst hat vor rund 15 Jahren als Beschäftigter beim Kontraktlogistiker Schnellecke in Leipzig einen Betriebsrat mit aufgebaut und einen Tarifvertrag mit deutlich höheren Löhnen erkämpft. Jetzt hilft er als IG Metall-Sekretär anderen Beschäftigten dabei.

Beschäftigten treten in die IG Metall ein

Sie wurden immer mehr IG Metall-Mitglieder bei SKS in Niederdorf. Und nach der Wahl des Betriebsrats, die sie mitten im Corona-Lockdown unter strengen Hygieneauflagen organisierten, peilten sie bereits das nächste Ziel an: einen Tarifvertrag.

Jahrelang hatte es kaum Lohnerhöhungen gegeben. „Die älteren Beschäftigten, die noch vom Schock der Wende und der Massenarbeitslosigkeit geprägt waren, waren auch damit zufrieden: Hauptsache Arbeit“, erinnert sich Betriebsrat Michael Müller.

Doch nach und nach gingen die Älteren raus – und den Jüngeren wurde klar, dass sich der Arbeitsmarkt dreht und sie auch leicht woanders einen Job mit mehr Geld finden können. „Wir hatten einen Entwickler, dem 3000 Euro brutto nicht genug waren und der mehr wollte“, erinnert sich Michael. „Doch die haben ihn gehen lassen und lieber einen neuen für 4000 Euro eingestellt.“

Über die Jahre entstanden erhebliche Gehaltsunterschiede von mehreren hundert Euro im Monat, bei gleicher Arbeit. Immerhin beseitigte Phoenix Contact bei der Übernahme bereits die grobsten Ungerechtigkeiten und hob die untersten Löhne an.

Doch klar war das nicht genug. Sie trugen die Themen in die Belegschaft und motivierten die Beschäftigten dazu, mitzumachen und auf Betriebsversammlungen den Mund aufzumachen. Immer mehr traten in die IG Metall ein. Sie wählten eine Tarifkommission.

Tarif als Mittel gegen Fachkräftemangel

Bereits im November 2021, nicht einmal ein Jahr nach der Betriebsratswahl, waren sie dann soweit: Sie forderten den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen auf. Sie machten Druck mit Aktionen. Und sie luden den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig zu einer Betriebsversammlung ein, der sie dort ermutigte: „Ich möchte nicht, dass sich jemand entschuldigt, weil er sich gewerkschaftlich engagiert“, machte Dulig klar. „Es wird kein Unternehmen überleben, wenn es nicht versteht, dass die Löhne konkurrenzfähig sein müssen.“

Zuerst erschienen auf igmetall.de

Von: az

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